|
Kleine Pechlibelle
Ischnura pumilio (Charpentier, 1825)
|
|
Small Bluetail, Scarce Blue-tailed Damselfly |
|
tengere grasjuffer |
|
Agrion nain |
|
šidélko malé |
|
teznica mala |
|
Mindre kustflickslända |
|
Lille Farvevandnymfe |
Namensgebung
deutsch |
|
|
Pechlibelle: nach der pechschwarzen Färbung des Hinterleibs Kleine: es ist kleiner als die Schwesterart Große Pechlibelle Ischnura elegans |
wissenschaftlich |
|
|
Ischnura: gr. ischnos - dürr, dünn und gr. ura - Schwanz pumilio: lat. pumilio - Zwerg |
Originalgröße |
Systematik |
Gefährdung |
|
26 - 31 mm |
- Unterordnung
- Kleinlibellen (Zygoptera)
-
- Familie
- Schlanklibellen (Coenagrionidae)
- Welt: 20 Familien
- Europa: 5 Familien
- D, A, CH: 4 Familien
- Gattung
- Pechlibellen (Ischnura)
- Welt: 91 Gattungen
- Europa: 7 Gattungen
- D, A, CH: 7 Gattungen
- Art
- Kleine Pechlibelle
- (Ischnura pumilio)
- Welt: 66 Arten
- Europa: 5 Arten
- D, A, CH: 2 Arten
- Unterarten
keine
|
Deutschland
Österreich
Schweiz
(siehe auch Rote Listen in D, A, CH) |
Flugzeit
Verbreitung
© Dijkstra & Lewington violett: Hauptverbreitungsgebiet blau: unregelmäßige Vorkommen |
|
Welt |
|
ponto-mediterranes Faunenelement mit Verbreitungsschwerpunkt im östlichen Mittelmeerraum; vom westlichen Nordafrika und iberischer Halbinsel über Europa sowie Klein- und Mittelasien bis zum Kaukasus und südwestlichen Sibirien, auch auf Azoren und Madeira; nicht auf Mittelmeerinseln (außer Sizilien und Zypern), auf britischer Insel nur im Südwesten, in Skandinavien nur Einzelfunde auf Gotland und bei Helsinki; in Europa weit verbreitet, aber nur zerstreute Vorkommen |
|
Deutschland |
|
in ganz Deutschland nachgewiesen und weit verbreitet, aber nur unregelmäßige Vorkommen mit hoher Individuenzahl |
|
Österreich |
|
Nachweise in allen Bundesländern; in Tallagen weit verbreitet, aber nur verstreute Vorkommen; höchste sicher bodenständige Population auf 980 m, höchster Einzelnachweis auf 1.410 m |
|
Schweiz |
|
in der gesamten Schweiz nachgewiesen, aber regional stark zerstreut; Optimum in Niederungen bis 600 m, aber regelmäßig bis auf 2.260 m; höchste sicher bodenständige Population auf 2.030 m |
|
Lebensraum
Die Kleine Pechlibelle ist die charakteristische Pionierart neu angelegter Gewässer. Sie ist zumeist die erste Libellenart, die neu entstandene stehende Gewässer (Teiche, Weiher, Abbaugewässer, aber auch wassergefüllte Fahrspuren und Sprengtrichter auf Truppenübungsplätzen) besiedelt. Auch an frisch gemähten Abschnitten langsam fließender Gewässer wie Wiesenbäche und -gräben ist sie häufig. Vorkommen sind auch bekannt aus Moor- und Sumpfgebieten. Ihr genügt die erste, schüttere Wasservegetation aus wenigen Binsen und Seggen. Mit fortschreitender Sukzession ist sie dann erscheinenden, konkurrenzstärkeren Libellenarten unterlegen und verschwindet wieder. Sie besiedelt deshalb nur überaus selten ein und dasselbe Gewässer über viele Jahre oder gar Jahrzehnte. Einen weiteren optimalen Lebensraum findet unsere Art an sehr stark verwachsenen Gewässern, deren dichte Vegetation fast keinen Blick auf die freie Wasserfläche zulässt. Die Art ist sehr ausbreitungsfreudig und besiedelt neu entstandene Gewässer meist noch im Jahr der Anlegung.
Ökologie und Lebensweise
Ab Anfang bis Mitte Mai gelangen die ersten Larven zum Schlupf. Sie erklimmen dazu senkrecht aus dem Wasser ragende Halme und Blütenstängel von Binsen, Seggen und anderen Pflanzen. Zumeist verankern sich die Larven in Höhen bis 3 cm, oft befindet sich ihr Hinterleibsende noch im Wasser. Selten klettern die Larven mehr als 30 cm an den Halmen empor.
Ihr Jungfernflug bringt die junge Libelle in die nähere Umgebung des Gewässers auf voll besonnte, strukturreiche Ruderalflächen, Großseggensümpfe oder angrenzende Wiesen. Innerhalb von fünf bis zwölf Tagen reifen sie zu geschlechtsreifen Tieren heran. Während dieser Zeit verändert sich auch die Färbung der Weibchen (siehe weiter unten).
Nach der Reifephase kehren normalerweise die Männchen zuerst an das Gewässer zurück. In der Regel fliegen die Tiere nur kurze Strecken. Trotzdem hat die Art ein sehr großes Ausbreitungsvermögen. Sie besiedelt u.a. neu entstandene Gewässer noch im ersten Jahr der Anlegung. Es wird vermutet, dass die Tiere sich mit Unterstützung des Windes weit forttragen lassen können. Die Männchen erscheinen am späten Vormittag oder gegen Mittag am Gewässer. Hier fliegen sie knapp über der Wasseroberfläche zwischen der spärlichen Emersvegetation. Sie setzen sich auf exponierte Halme und erwarten hier die Weibchen. Diese kommen etwas später im Tagesverlauf zum Wasser. Wird ein Weibchen vom Männchen erspäht, fliegt es zu ihr, ergreift sie und bildet mit ihr sofort ein Paarungsrad. Wie bei Arten der Gattung Pechlibellen (Ischnura) üblich, wird nur sehr selten (und dann nur kurz) die Tandemformation gebildet.
Im Paarungsrad fliegen die Tiere ungern. Sie setzen sich dafür lieber in die angrenzende Vegetation. Die Paarung dauert mit drei bis vier Stunden sehr lang. Nach der Paarung lösen sich beide Tiere voneinander. Das Weibchen fliegt dann (oft ist es bereits später Nachmittag) allein zur Eiablage. Nur ganz selten wird es vom Männchen begleitet.
Die Eiablage erfolgt in senkrecht stehende Halme und Blütenstände von Binsen, Seggen und anderer aus dem Wasser ragender Vegetation. Ist diese nicht vorhanden, legt das Weibchen auch in den Wurzelballen von Uferpflanzen ab. Häufig taucht das Weibchen dabei auch unter, manchmal sogar vollständig. Unter Wasser kann sie bis zu einer Stunde verweilen. Die gesamte Eiablage dauert etwa ein bis zwei Stunden.
Etwas anders sieht das Verhalten der Tiere an den stark verwachsenen Lebensräumen aus. Hier fliegen die Männchen oberhalb des Pflanzendickichts, die Weibchen hingegen fliegen unter den überhängenden Blättern umher und legen in diesem Gewirr auch ihre Eier.
Die Eier entwickeln sich relativ schnell. Nach ca. vier Wochen entschlüpfen ihnen die Larven.
Die Larven leben überwiegend am Gewässergrund oder an Algenwatten, an Gewässern mit etwas fortgeschrittener Vegetation auch an Blättern und Stängeln hängender Uferpflanzen. Versteckt unter Steinen, Wurzeln oder der Vegetation können sie auch eine kurzzeitige Austrocknung ihres Lebensraumes überstehen. Innerhalb von sieben bis acht Wochen haben sie sich soweit entwickelt, dass sie zur Emergenz schreiten können.
Seit einigen Jahren kommen im südlichen und mittleren Mitteleuropa regelmäßig zwei Generation der Kleinen Pechlibelle pro Jahr zum Schlupf. Dies beweisen kontinuierliche Exuvienaufsammlungen und Beobachtungen von Imagines. Die Schlupfkurve besitzt dann zwei Maxima: eines von Mitte Mai bis Mitte Juni, das zweite von Mitte Juli bis Mitte August. Gleichzeitig sind geschlechtsreife Individuen in der zweiten Julihälfte auffallend rar. Die kurze Entwicklungszeit der Larven wird durch ihren Lebensraum begünstigt: die zumeist kleinen und flachen Gewässer erwärmen sich sehr schnell, so dass die Larven im warmen Wasser ein reiches Nahrungsangebot finden.
Die Imagines unserer Art werden bis zu 36 Tage alt, wobei Weibchen älter werden als Männchen.
Die Weibchen der Kleinen Pechlibelle wechseln während ihres Lebens sehr stark die Körperfarbe. Als frisch geschlüpfte Tiere erstrahlen sie in einem leuchtenden orangefarbenen Ton (siehe auch die Bilder). Diese Farbform wird aurantiaca ("die Goldene") genannt. In der Reifeperiode verliert sich diese leuchtende Farbe und geht zuerst in ein Grün über. Die meisten Weibchen behalten diese grüne (heterochrome) Färbung. Einige Weibchen hingegen haben eine blaue, männchenfarbene (andro- oder homoeochrome), Färbung. Sie durchlaufen zwei Farbwechsel: aus der orangefarbenen wird die grüne und danach die blaue Färbung.
Untersuchungen zur Variabilität der jährlichen (bzw. saisonalen) Zusammensetzung der weiblichen Farbformen gibt es noch nicht, da die Weibchen schwer zu entdecken sind (sie kommen fast nur zur Paarung und Eiablage an das Gewässer) und die allermeisten Entwicklungsgewässer mit zunehmender Sukzession und damit einhergehender Zunahme konkurrenzstärkerer Libellenarten aufgegeben werden.
Ähnliche Arten
Es gibt nur wenige Kleinlibellenarten, deren Hinterleiber nahezu vollkommen schwarz gefärbt sind. Dies sind eigentlich nur Arten der Gattung Granataugen (Erythromma) und der Gattung Pechlibellen (Ischnura). Beide Gattungen sind jedoch einfach auseinander zu halten: Granataugen-Arten haben einen schwarzen Hinterleib und braunrote Augen, Pechlibellen-Arten hingegen einen schwarzen Hinterleib und bläuliche Augen. So kann unsere Art eigentlich nur mit ihrer Schwesterart, der Großen Pechlibelle (Ischnura elegans) verwechselt werden.
Als Unterscheidungskriterium fungiert zum Einen die Körpergröße: während die Große Pechlibelle (Ischnura elegans) "normale" Kleinlibellenmaße hat, ist die Kleine Pechlibelle mit ihren 26 bis 31 mm Gesamtlänge die zweitkleinste Libellenart Europas. Zum Anderen gibt die Lage des "Schlusslichts" auf dem Hinterleib eindeutige Hinweise zur Artbestimmung: während bei jener Art Männchen und Weibchen ihr zumeist hellblaue "Schlusslicht" nur auf dem achten Hinterleibsegment tragen (und zwar nur hier), haben die Männchen unserer Art ihr "Schlusslicht" auf dem neunten und dem letzten Drittel des achten Hinterleibsegment. Weibchen der Kleinen Pechlibelle besitzen kein "Schlusslicht", sondern nur einen einfarbig schwarzen Hinterleib (weswegen sie noch schwieriger zu entdecken sind).
(zum Vergrößern auf die Bilder klicken)
frisch geschlüpftes, noch aushärtendes Männchen |
junges Männchen |
ausgefärbtes Männchen |
frisch geschlüpftes Weibchen (Farbform aurantiaca) |
unausgefärbtes Weibchen in Emersvegetation |
|
Literatur, die erwähnt und benutzt wurde:
Dijkstra, K.-D.B. & R. Lewington (2006): Field Guide to the Dragonflies of Britain and Europe. Gillingham: British Wildlife Publishing. S. 66-68
Monnerat, C. (2005): Ischnura pumilio. - In: Wildermuth, H., Y. Gonseth & A. Maibach (Hrsg.): Odonata - Die Libellen der Schweiz. Fauna Helvetica 12. Neuchâtel: CSCF. S. 166-169
Raab, R., A. Chovanec & J. Pennerstorfer (2007): Libellen Österreichs. Wien: Umweltbundesamt & Wien, New York: Springer. S. 128-129
Robert, P.-A. (1959): Die Libellen (Odonaten). Bern: Kümmerly & Frey. S. 115-116
Sternberg, K. (1999): Ischnura pumilio - Kleine Pechlibelle. - In: Sternberg, K. & R. Buchwald (Hrsg.): Die Libellen Baden-Württembergs. Bd. 1: Allgemeiner Teil, Kleinlibellen (Zygoptera) Stuttgart: Ulmer. S. 187-202
nach oben
|
|