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die Paarung
Nachdem die Libellen ihren Reifeflug beendet haben, kehren sie zumeist an ihr Larvengewässer zurück. Einige Arten, besonders die wanderfreudigen, besiedeln aber auch andere Gewässer. Die Männchen der Großlibellen besetzen Reviere, die sie gegen jeden Eindringling verteidigen. Häufig kommt es an den Reviergrenzen, oder wenn ein anderes Männchen in das besetzte Revier eingedrungen ist, zu atemberaubenden Luftkämpfen, bei denen man das Berühren der Flügel hören kann, mitunter sogar das Aufprallgeräusch der beiden Körper. Die Männchen der Kleinlibellen besetzen auch Reviere, nur sind diese viel kleiner als die der Großlibellen und auch nicht so stabil wie diese, d.h. die Grenzen verschieben sich sehr oft. Bei der Weibchenfindung bedienen sich beide Unterordnungen unterschiedlicher Strategien. Die Kleinlibellen-Männchen erscheinen früher als die Weibchen am Gewässer. Hier besetzen sie ihr kleines Revier und warten auf die Weibchen. Die Männchen der Großlibellen besetzen ihre Reviere, verteidigen diese, fliegen auf und ab und erwarten auf diese Weise die Weibchen. Wenn ein Weibchen erscheint, versucht der Revierinhaber, es zur Paarung mit sich zu bringen. Die Arten der Familie Prachtlibellen (Calopterygidae) werben sogar um die Gunst der Weibchen, sie machen einen Werbeflug. Durch die Stellung ihrer Hinterleibsanhänge signalisiert das Weibchen ihre Paarungsbereitschaft. Wenn sich nun Männchen und Weibchen gefunden haben, dann beginnt wohl die faszinierendste Paarung in der gesamten Tierwelt.
Anders als bei den anderen Ordnungen im Reich der Insekten paaren sich Libellen nicht durch Kopplung der Geschlechtsorgane an den Hinterleibenden. In dieser Stellung könnten die Tiere gar nicht fliegen. Deshalb ist es wohl zu einem anderen einzigartigen Paarungsverhalten gekommen. Es läuft wie folgt ab:
Das Männchen ergreift mit seinen oberen Hinterleibsanhängen (Appendices superiores) das Weibchen am Kopf (Großlibellen) oder hinter dem Kopf (Kleinlibellen). Durch die besondere Form dieser Haltezangen, aber auch durch die Form der Gruben am Weibchen passen die Zangen des Männchens nur zu dem Weibchen der gleichen Art. Man spricht hierbei vom "Schlüssel-Schloss-System". Allerdings kann es manchmal, besonders bei sehr hoher Männchendichte, zu einem Ergreifen von Weibchen einer anderen, nahen verwandten Art kommen. Eine erfolgreiche Paarung mit diesem, also eine Befruchtung der Eier, dürfte aber nur in den allerseltensten Fällen möglich sein. Zumeist verhält sich das Weibchen dann außerordentlich passiv und reagiert nicht auf die Aufforderung des Männchens zur Paarung. Irgendwann lässt er sie dann los und sucht sich eine neue, möglichst artgleiche Partnerin.
Weil die Männchen ihren Samen nicht in der Nähe des Penis bilden, muss erst das Sperma dorthin geleitet werden. Deshalb krümmt nun das Männchen mit angekoppelten Weibchen seinen Hinterleib so stark, dass es das Sperma vom 9. Hinterleibsegment, wo es erzeugt wird, in die Samentasche im 2. Hinterleibsegment füllen kann. Dieser Vorgang wird Praecopula (Vorpaarung) genannt (Abb. 1).
Abb. 1: Praecopula bei der Südlichen Binsenjungfer (Lestes barbarus)
Nachdem die Samentasche gefüllt ist, bringt das Weibchen ihre Genitalien am 9. Hinterleibsegment zum 2. Segment des Männchens. So entsteht das Paarungsrad (Abb. 2), das aber eher an ein Herz erinnert. Mit dem Penis wird der Samen übertragen, befruchtet werden die Eier aber erst bei der anschließenden Eierablage. Bei einigen Arten kann das Männchen mit seinem Penis sogar die Samentasche des Weibchens von sich dort befindlichen Samen eines vorherigen Männchens reinigen, bevor es seine Samen überträgt. Das Weibchen hält sich oft mit ihren Beinen am Männchen fest. Dadurch wird bei Männchen der Arten mit Wachsbereifung auf dem Abdomen diese Wachsfarbe an diesen Stellen abgerieben, die Kopulationsmarken entstehen.
Abb. 2: Paarungsrad der Großen Pechlibelle (Ischnura elegans)
Sobald die Paarung vollzogen ist, löst sich das Weibchen. Entweder fliegen beide Partner nun gemeinsam in Tandemformation (das Männchen hat das Weibchen immer noch im Griff; Abb. 3) zur Eiablage, oder das Männchen löst sich ganz vom Weibchen, und dieses fliegt allein, entweder vom Männchen bewacht oder unbewacht, zum Legen. Dar�ber mehr im nächsten Kapitel.
Abb. 3: Tandem der Gemeinen Binsenjungfer (Lestes sponsa). In Kürze werden beide zur Eiablage losfliegen.
Die Paarung dauert unterschiedlich lang. Die kürzeste Paarungszeit hat der Vierfleck (Libellula quadrimaculata), die Paarung vollzieht sich hier ganz im Flug und dauert nur zwischen 5 und 20 Sekunden. Die Große Pechlibelle (Ischnura elegans) braucht für die vollendete Paarung bis zu 5,5 und mehr Stunden.
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